Insolvenz

Auch Arzt- oder Psychotherapeutenpraxen sind der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit bis hin zur Insolvenz ausgesetzt. Die in einem solchen Fall anstehende Sicherung der Vermögensinteressen der Gläubiger durch einen Insolvenzverwalter darf allerdings nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Patientengeheimnisses führen.

Bislang hat der Gesetzgeber keine spezifischen Regelungen zur Insolvenz bei niedergelassenen Ärzten oder sonstigen Heilberuflern getroffen. § 56 InsO enthält keine weiteren Aussagen zur fachlichen Qualifikation des in einem derartigen Fall zu bestellenden Insolvenzverwalters. Ebenfalls nicht klar geregelt ist die Frage der Vereinbarkeit der in den § 97 InsO enthaltenen Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners sowie des in § 148 InsO geregelten Übernahmegebotes des Insolvenzverwalters, falls dem Schuldner als Arzt oder Psychotherapeut eine Schweigepflicht zusteht. Offen bleibt damit insbesondere, inwieweit der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Tätigkeit vertrauliche Patientendaten in Besitz und zur Kenntnis nehmen darf und welche Patientendaten der Praxisbetreiber im Insolvenzverfahren offenbaren darf. Fraglich ist zudem, welche Auswirkungen eine Insolvenz auf die berufsrechtliche Aufbewahrungspflicht hat.

Aus der Sicht des Datenschutzes darf nach der geltenden Rechtslage der Insolvenzverwalter ohne Einwilligung der Betroffenen keinen Einblick in die Patientenakten erhalten. Zudem muss es den Patienten der insolventen Praxis auch weiterhin möglich sein, ungehindert in die sie betreffenden Behandlungsdokumentationen einzusehen. Folgendes muss deshalb beachtet werden:

  • Im Praxisbetrieb ist eine strikte Trennung der Aufzeichnungen zur Buchhaltung und der Behandlungsdokumentation zu gewährleisten. Im Falle der Insolvenz hat der Insolvenzverwalter vorrangig die Unterlagen der Buchhaltung in Besitz zu nehmen.
  • Eine Einsichtnahme des Insolvenzverwalters in die Behandlungsdokumentationen ist ohne Einbindung der Patienten unzulässig. Soweit der Insolvenzverwalter bei der Sichtung des Vermögens Einblick in die Buchführung der Praxis nehmen muss, ist die Kenntnisnahme einzelner Behandlungsverhältnisse hinnehmbar, wenn diese Information für die Vermögenssicherung (z.B. wegen offener Forderungen) benötigt wird. Sind hierzu weitere Schritte wie z.B. die Geltendmachung von Forderungen geboten, die die Kenntnisnahme medizinischer Informationen durch den Insolvenzverwalter voraussetzen, sollte der Patient im Vorfeld darüber von dem bisherigen Praxisinhaber unterrichtet werden
  • Der Praxisinhaber bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Aufbewahrung der Behandlungsdokumentation verantwortlich. Selbst bei einer insolvenzrechtlich nach § 148 InsO gebotenen Sicherung des Patientenstamms ist der Arzt oder Psychotherapeut allein befugt, den Zugang zu den Aufzeichnungen unter Beachtung der Schweigepflicht zu regeln. Eine Inbesitznahme der Unterlagen durch den Insolvenzverwalter mit der Möglichkeit eines für ihn ungehinderten Zugangs ist unzulässig.

Die im Mai 2018 wirksam gewordene EU Datenschutz-Grundverordnung verstärkt den strengen Schutz von Patientendaten, soweit diese Aussagen z.B. über dessen Gesundheit enthalten (vgl. Art. 9 DS-GVO). Angesichts der damit verbundenen Sanktionsmöglichkeiten kommt der Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben im Insolvenzverfahren deshalb eine hohe Bedeutung zu. Soweit die Regelungen der Insolvenzordnung den Bestimmungen der DS-GVO zuwiderlaufen, sind diese aufgrund des Anwendungsvorrangs der EU-Rechtsverordnung nicht anwendbar. Zur Vermeidung von Handlungsunsicherheiten bleibt der Gesetzgeber aufgerufen, in diesem Zusammenhang Datenschutzrecht und Insolvenzrecht zu harmonisieren.

Check

  1. Werden Buchhaltung und Behandlung strikt getrennt voneinander dokumentiert?
  2. Durch wen wird im Falle der Insolvenz ein Zugang zu den Patientenakten gewährt?
  3. Haben die Patienten der insolventen Praxis weiter Zugang zu den Aufzeichnungen?